OBSOLESZENZ - Virus im Handel
Der Chemnitzer BoofeLaden legt seit seiner Gründung 2001 Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit – also lange bevor diese Themen zu Modebegriffen wurden. Und als ab 2005 erste große Outdoor-Marken den Weg der Qualität verließen, um mehr Kunden in der Modewelt und breiten Masse der Bevölkerung zu erreichen, haben wir den beginnenden Qualitätsverlust bereits erkannt und öffentlich (auch online) thematisiert. Und nicht nur das – BOOFE zog Konsequenzen! Bereits 2007 entfernten wir einer der größten Outdoor-Marken aus unserem Sortiment – zu einem Zeitpunkt, wo die Firma mit „der Tatze“ durch die Decke ging und viele Outdoor-Händler das schnelle Geld mit ihr suchten. Aber es widersprach unsere Philosophie. Und es folgten andere Firmen und es wurde ein generelles Problem, was unser Leben und Kaufverhalten maßgeblich beeinträchtigen sollte.
Der ‚Virus‘ mit dem die Outdoor-Branche betroffen war, nennt sich ‚Obsoleszenz‘
Was ist Obsoleszenz?
Obsoleszenz bzw. Obsolescence = ist die Ausmusterung bzw. Beendigung des Lebenszyklusses eines Produktes. Ein obsoletes Produkt ist überflüssig bzw. nicht mehr im Gebrauch.
Wird es bedacht eingesetzt, also das Verhältnis zwischen Lebensdauer und Nachhaltigkeit wahrt, regt es die Wirtschaft sogar an. Denn wenn ein Produkt zu lange hält, kann kein Neues verkauft werden, was sich bei Hersteller und Händler negativ auswirkt und was die Entwicklung bremst.
Wird hingegen die Lebensdauer zu kurz, geht es auf Kosten der Ressourcen und der Qualität. Und in den letzten Jahren wurde diese Lebensdauer durch vorsätzliche Verkürzungsmaßnahmen exponentiell verkürzt, was schon längst nichts mehr mit Nachhaltigkeit zu tun hat.
Je kürzer die Lebensdauer eines Produktes, desto geringer die Nachhaltigkeit!
In den Medien wurde das Problem bekannt durch die TV-Dokumentation von 2010 „Kaufen für die Müllhalde“, welche u.a. über dieses Problem bei Glühbirnen und Druckern berichtete.
2012 machten verschiedene Medien ‚Obsoleszenz‘ zum Thema, u.a. SWR1 "...kaum gekauft und schon kaputt!" oder GEO-Online mit "Obsoleszenz: Produzieren für die Tonne" oder Öko Test mit "Wegwerfen fürs Wachstum". Selbst eine Internetseite wurde dazu gegründet mit „Murks-nein-danke!“. Doch alle zusammen reduzieren das Problem Obsoleszenz zu sehr auf die „geplante Obsoleszenz durch verkürzte Funktionsfähigkeit“, weil dieses plakativer und messbarer ist. Aber der größte Gegner der Nachhaltigkeit ist etwas, was wir alle nicht hören wollen: Mode!
Eine bewusst verkürzte Mode, ist geplante Obsoleszenz!
Man kann die Lebensdauer eines Produktes mit Beeinflussung der Funktionsfähigkeit verkürzen, z.B. durch Einbau von Schwachstellen (Glühbirne, Drucker) oder gezielter Verwendung minderwertiger Qualität, damit es eher kaputt geht und ersetzt werden muss, oder
Die Lebensdauer wird ohne Beeinflussung der Funktionsfähigkeit verkürzt, indem ich den Menschen suggeriert, dass dieses Produkt aus der Mode gekommen ist (Farb-und Modelwechsel), nicht mehr angesagt ist (Image, Prestige) oder einfach Produktgruppen und Funktionen ausgemustert werden (Software veraltet, Hardware nicht mehr kompatibel).
In dem Moment, wo gezielt darauf Einfluss genommen wird, sprechen wir von einer geplanten Obsoleszenz.
Obsoleszenz ist der Motor des Wirtschaftswachstums!
Ohne Obsoleszenz wäre kein wirtschaftliches Wachstum mehr erreichbar. Das geht aber leider auf die Kosten der Qualität und die der Ressourcen. Die Zeche für unser modeorientiertes Kaufverhalten werden unsere Kinder zahlen müssen. Wir sollten uns überlegen, wie oft wir ein Handy tauschen oder einen Fernseher, welche Qualität wir kaufen und fordern – denn unser aller Kaufverhalten ist entscheidend.
Obsoleszenz führt zu Ressourcenverknappung und Eskalation!
Als ich 2012 und später zum Thema Obsoleszenz Vorträge gehalten hatte, zeigte ich auf, welche Folgen es mit sich bringt, wenn wir nicht lernen, mit dem Thema umzugehen und unser Kaufverhalten umstellen. Als ich die Langzeitfolgen aufzeigte, wurde ich dafür ausgelacht und als Schwarzmaler angeprangert – jetzt lacht keiner mehr. Hier die 5 Stufen:
Stufe 1 ist noch ok: Erhöhung des Absatzes, erhöhter Lagerumschlag, Wirtschaftswachstum.
Stufe 2 wird es bereits spannend: Überproduktion, Massenproduktion und die Minderung des Wertgefühls. Es kommt zu Preiskämpfen und Qualitätsminderung.
Stufe 3 wird schon unwirtschaftlicher: es kommt zum Wachstumszwang, steigenden Rohstoffverbrauch und zur Ressourcen-Verknappung. Über Nachhaltigkeit wird kaum noch nachgedacht (Nachtrag: es wird zwar nachgedacht, aber mehr über seinen Image-Öko-Fingerabdruck, als über echte Nachhaltigkeit)
Stufe 4 wird schon aggressiver: es kommt zum Verdrängungskampf bei Ressourcen und Grundnahrungsmittel (Wasser, Saatgut).
Stufe 5 wollen wir alle nicht: es kommt zur Eskalation, Völkerwanderung und Krieg.
In den letzten 10 Jahren ist vieles davon eingetreten – leider. Die Tragweite dieser Problematik ist und war vielen nicht bewusst. Erst 2013 wurde eine Studie der Bundesregierung zum Thema "Obsoleszenz - Entstehung, Beispiele, Schadensfolgen, Handlungsprogramm" in Auftrag gegeben. Zuspät! Sie liegt wohl inzwischen unter einem Stabel von Mode- und Autozeitschriften.
Eine verlängerte Garantie sorgt nicht für bessere Qualität!
Ich wurde immer gefragt, ob eine verlängerte Garantie das Problem lösen würde – Nein tut es nicht mehr! Bis vor 20 Jahren hätte ich JA gesagt, aber heute nicht mehr. Denn Garantie bedeutet, dass der Kunde bei Mangel das Recht auf Umtausch hat. Was wird also der Hersteller tun: er wird nicht die Qualität erhöhen, sondern die Einkaufsspanne, damit der Händler das Produkt noch günstiger einkaufen kann, um es so dem Kunden leichter austauschen zu können. Kurz – er legt den Mehraufwand der Gewährleistung auf den Produzenten um – und der reduziert die Qualität noch mehr.
Was also können wir tun?
- Fragt nach Qualität, Nachhaltigkeit und Philosophie des Herstellers oder Händlers
- Konsumiert bedacht und nicht maßlos. Rennt nicht jeden Modetrend hinterher.
- Wenn alles passt, dann seid bereit, den Preis zu zahlen. Denn echte Qualität hat ihren Preis.
- Belohnt Hersteller und Händler, die auf Qualität setzen, indem ihr ihnen treu bleibt.
- Ermahnt Hersteller und Händler, die bewusst schlechte Qualität verkaufen.
- Repariert auch mal ein Produkt und werft nicht alles gleich weg.
- Hersteller sollten bewährte Produkte länger im Programm belassen (Klassiker)
- Setzt wieder auf regionale Produktion mit regionalen Materialien.